Urtica Dioica

Heute war der Tag, an dem ich einiges an Bürokram abgearbeitet habe. Meiner Liebsten _Lila_Luna_ brachte ich ein wichtiges Dokument zur Arbeit nach Ottweiler. Und wenn man schon mal mit dem Auto unterwegs ist, dachte ich mir, dann macht man auch noch einen Cache. In der Nähe liegend bot sich „Die Brunnestubb (Lost Place)“ in Ottweiler (GC2EK0N) an.

Ich weiß nicht, ob ich das schon einmal erwähnt habe, deshalb mache ich das jetzt mal:

Lies immer das Listing eines Caches, bevor du ihn suchst!

Ich weiß nicht, wie oft ich mich bei meinen selbst gelegten Dosen darüber aufgeregt habe, dass die Sucher wichtige Hinweise nicht gelesen haben und sich dann über dies und das beschwerten. Und nun machte ich diesen dummen Fehler selbst. Ich erinnere mich, mit _Lila_Luna_ über „Die Brunnestubb“ gesprochen zu haben. Sie vermutete eine geschlossene Gastwirtschaft am Wingertsweiher. Irgendwie habe ich ihre ortskundige Kompetenz nicht in Frage gestellt und dachte mir (ohne das im Listing noch nachzulesen), dass ich an einem verlassenen Lokal einen Cache suche, T3, also vielleicht irgendwo am Hang.

Normalerweise bin ich fast immer mit _Lila_Luna_ unterwegs, heute nicht. So blieb ihr einiges erspart. Zunächst mal fuhr ich mit dem Auto, soweit das erlaubt war, anschließend lief ich dann die restlichen ca. 200 Meter, bis ich in der Nähe des Zielgebiets war. Ich folgte der asphaltierten Straße, aber um welche Ecke ich auch bog, es tauchte kein Gebäude auf. Nur Wald, Wiesen und Felder.

Etwa 40 Meter vor dem Final zeigte mein GPS scharf nach links, und … oh nein! Eine mannshohe Wand von Brennnesseln in tödlicher Kombination mit Dornenbüschen stellte sich mir in den Weg. Da durch? Im Leben nicht. Ich bräuchte eine Machete! Aber Moment! War da nicht einige Meter zurück ein Waldweg? Sollte vielleicht von der Seite ein leichterer Zugang möglich sein? Ich ging den Asphaltweg also etwas zurück und bog in den Waldweg ein, um mich der Lokation von der anderen Seite zu nähern. Das sah vielversprechend aus. Ein Trampelpfad führte über einen Bach, der zu queren war. Das sah ein wenig nach „Cacherautobahn“ aus. Ich folgt diesem Pfad, der einige Meter weit führte. Die auch auf dieser Seite befindlichen Brennnesseln verdichteten sich. Zwar hatte ich lange Hosen und festes Schuhwerk an, jedoch war ich nur mit kurzärmligem T-Shirt bekleidet. Aber mein GPS-Gerät zeigte unmissverständlich, dass ich auf dem Weg ins Zielgebiet war. Nach einigem vorsichtigen, Meter für Meter vorwärts kommendem Lavieren hörte ich Geplätscher. Wasser! Na klar, hieß ja „Brunnestubb“.

Jetzt war es nicht mehr weit. Ich betrat eine Szenerie mit einer kleinen Senke, in der offenbar eine Quelle entsprang. Ich war durch das Gelände schon etwas lädiert, aber egal, jetzt war ich ja fast am Ziel. Dachte ich. Das GPS hatte aber noch einige Meter auf der Uhr. Und es zeigte auf einen über und über mit Brennnesseln bewachsenen Hügel. Also ehrlich, für einen T3 musste ich mich schon weniger ins Zeug legen. Jetzt, im Sommer, war es mehr so in Richtung T4. Zumindest gefühlt. Nun war ich aber schon mal bis hierher gekommen, es war nicht leicht gewesen, und ich wollte diesen Cache jetzt unbedingt finden!

Also den Hügel hoch. Fragt nicht, wie! Der nächste Ausrüstungsgegenstand, den ich anschaffe, wird eine Machete! Ehrlich! Diese Natur um mich herum war buchstäblich bewaffnet. Säure, Dornen, Schlingen, womöglich noch niedliche Zecken! Irgendwie kam ich diesen Hügel hoch, suchte an und hinter Bäumen. Nichts! Dann plötzlich erblickte ich einen Giebel! In wenigen Metern Entfernung. Zwischen ihm und mir nur – Brennnesseln!

Bild

Offenbar stand ich oben auf der Brunnestubb. Der Zugang (und womöglich der Cache) waren auf der anderen Seite. Ich ging also zähneknirschend einen Teil meines bereits zurückgelegten Weges in die entgegengesetzte Richtung, um in der Nähe der Quelle den Bach zu kreuzen.  Dabei sank ich in tiefen Morast und saute mir meine Schuhe gut ein. Spätestens jetzt wurde es zwischen dem Cache und mir persönlich. Solche Strapazen auf sich zu nehmen, ohne Erfolg zu haben, schien mir keine wählbare Option zu sein. Also durch eine – ja was eigentlich? Feuchtwiese? Kleine Bächlein auf jedem zweiten Schritt. Die Vegetation war so dicht, dass man das Erdreich nicht erkennen konnte. Bodenbewuchs legte sich wie Fußschlingen um die Beine. Es war ein Kampf, die restliche Strecke zu überwinden. Die Arme brannten bereits durch regelmäßigen Brennnesselkontakt. Wenige Meter stürzte ich auch noch über einen großen, vom Bewuchs vollständig verborgenen Stein und legte mich, wie man so sagt, „voll auf die Fresse“! Mitten in die Brennnesseln natürlich!

Immerhin stand ich jetzt vor der Tür der Brunnestub! Hier würde der Cache irgendwo sein. Würde er? Nichts zu finden. Nach einigem Suchen erinnerte ich mich an diesen Satz:

Lies immer das Listing eines Caches, bevor du ihn suchst!

Dort erfuhr ich, dass der Owner der Auffassung war, man brauche keinen Hint: „Wenn Ihr es bis dahin geschafft habt, braucht Ihr keinen Hint.“ Bis wohin geschafft? Nach GPS sollte ich auf dem Cache stehen. Zu sehen war aber nichts.

Die Natur des menschlichen Scheiterns wurde mir langsam deutlich. Wenn man soviel Zeit und Entbehrungen in eine Sache investiert hat, fällt es schwer, die Unternehmung aufzugeben. Gerade dann, wenn man glaubt, der Erfolg sei greifbar nah! Man konnte aber in nichts greifen außer in – Brennnesseln! Immerhin las ich in den Logs nun, dass tags zuvor bereits ShinjiHikari83 vor den Gewalten der Natur kapitulierte. Und der gilt nicht gerade als Sissycacher!

Eine Idee hatte ich noch, wo der Cache versteckt sein konnte. Aber wieder waren Meter über Meter säurehaltiger Vegetation zwischen mir und diesem Ort. Und nun musste ich meine Niederlage eingestehen. Ich schwitzte, die Arme brannten wie Feuer. Das nötige Equipment wäre wirklich die Machete gewesen. Ich musste mich zurückziehen. Wohin? Den ganzen Weg zurück? Ich wusste, dass der Asphaltweg nur eine kurze Strecke vor mir lag. Dorthin kämpfte ich mich schließlich durch. Der anfangs so undurchdringlich wirkende Wall aus Brennnesseln und Dornenbüschen war nun irgendwie kaum mehr ein Hindernis.

Noch nie war mir Asphalt am Boden so sympathisch wie in jenem Moment, als ich ihn nach diesem Abenteuer betrat. Wer sein Glück herausfordern will, den fordere ich auf, die Brunnestubb im Sommer zu machen! Ich werde im Herbst oder Winter wiederkommen. Heute also gab es keinen Find. Aber ein Abenteuer! Und das war wirklich viel mehr wert!

Übrigens: Wer sich nun fragt, was „Die Brunnestubb“ eigentlich ist oder war, dem lege ich den Satz ans Herz:

Lies immer das Listing eines Caches, bevor du ihn suchst!

 

 

Über hensys2014

hensys - Cacher seit Mai 2012. Viel im Saarland unterwegs und auch viel in NRW. Macht irgendwas mit Computern.
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5 Antworten zu Urtica Dioica

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  3. Thalestria schreibt:

    Ups, hab eben die Beschreibung des Caches dazu gelesen und da stand nicht nur was von Brennesseln, sondern sogar von Wiesenbärenklau! Gruseliges Zeugs, das einem die Haut so richtig heftig verbrennt. Ich als absolute beginner in Sachen Geocaching werde daraus meine Lehre ziehen: Lies immer das Listing eines Caches, bevor du ihn suchst!
    Danke für diesen tollen Blogpost.
    Liebe Grüße
    Thalestria

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